Kaffeewald

„Wartet mal“, rufen Peter und Carola. Sie haben ein Motiv entdeckt, das sie aufnehmen wollen. Keine zehn Meter sind sie von uns entfernt, aber wir sehen sie nicht mehr. Wir sind im Urwald, und das Besondere ist dieses dichte Grün. Der dampfig-erdige Geruch. Das permanente Zirpen der Zikaden, ab und an der Schrei eines Vogels. Peters Idee: nach Äthiopien in den Kaffeewald. Vier Deutsche in Begleitung dreier Äthiopier. „Kaffeewald“ weiterlesen

Simbabwe – kleine Reminiszenz

Vor ein paar Jahren wollte ich in Harare, der Hauptstadt von Simbabwe, in einem Postamt Briefmarken kaufen. Zwei von drei Schaltern waren frei, aber man wies mich an, an dem mittleren Schalter, an dem gerade jemand bedient wurde, zu warten. Das dauerte geraume Zeit. Hinterher fragte ich meinen Fahrer, der draußen auf mich gewartet hatte, was das zu bedeuten habe. „Das bedeutet“, sagte er, „Simbabwe soll nie wieder kolonisiert werden.“ Vermutlich rollte ich mit den Augen. Mein Gott, ich will niemanden kolonisieren, ich will ein paar Briefmarken kaufen, um Postkarten nach Deutschland zu schicken! Die Erfahrung solch einer – schwarzen – Machtausübung gegenüber der – weißen – Fremden machte ich öfters in Ämtern in Simbabwe. In normalen Läden, im Hotel, bei Dienstleistungen war das nicht so. Aber in Behörden hat zuweilen die neue schwarze Elite den Gestus übernommen, den früher die Kolonialverwaltung an den Tag legte. „Mein Vater“, erzählte mein Fahrer, „durfte keine Flasche Wein kaufen ohne die schriftliche Genehmigung seines weißen ‚Masters‘.“ Schwarze wurden wie Kinder behandelt, sie durften keinen Alkohol kaufen. Schwarze wurden im Restaurant nicht bedient. Schwarze durften bestimmte Gebiete nicht betreten (außer als Reinigungspersonal). Schwarze durften in manchen Teilen des Landes nur in Begleitung eines Weißen ein Museum besuchen. Die meisten Kunst-Ausstellungen blieben für ein schwarzes Publikum völlig unzugänglich! Die Rassentrennung dauerte in Simbabwe bis 1980, bis das Land unabhängig wurde. In Südafrika dauerte die Apartheid bis 1996. Es nimmt nicht Wunder, dass in den beiden Ländern der Schwarz-Weiß-Diskurs viele Diskussionen über eine gesellschaftliche Veränderung beherrscht. „Simbabwe – kleine Reminiszenz“ weiterlesen

Kongo

War das nun eine historische Wahl? Der erste weitestgehend friedliche Machtwechsel in der Demokratischen Republik Kongo seit 1960? Bleibt Félix Tshisekedi Präsident des Kongo und Kabila der starke Mann im Hintergrund?

Joseph Kabila, der ehemalige Präsident der DR Kongo, dessen Amtszeit eigentlich 2016 zu Ende gewesen wäre, hatte Zwist unter der Opposition gesät. Ein großer Teil der Oppositionskandidaten für die Präsidentschaftswahlen 2018 tauchte gar nicht erst auf. Noch im November 2018 war unklar, ob die Opposition sich auf einen Kandidaten würde einigen können, etwa den Ex-Manager Martin Madidi Fayulu. Neben ihm in Führung lag Félix Thisekedi, Spitzenkandidat der „Union für Demokratie und sozialen Fortschritt“.

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Afrotopia

Einmal bislang habe ich den ehemaligen Königspalast in Abomey/République du Bénin besucht. Das UNESCO-Weltkulturerbe ist eine beeindruckende Anlage, ich hatte eine gute Führung, sah wenige Besucher und wenige Objekte. An der Kasse das Übliche in Benin: kein Wechselgeld. Auch wenn man mit dem kleinsten Geldschein bezahlt, dauert es eine Ewigkeit, bis die Groschen Rückgeld aufgetrieben sind. Aus dem Palast, heute Museum und ehemals das Zentrum von Dahomey, wurden 1892 unter dem französischen General Dodds Kunstwerke geraubt. Benin forderte sie seit Langem zurück.

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Der letzte Tropfen

Ende der Straße und nur noch Sand, Sand, Sand. Die Reifenventile werden geöffnet, zischend entweicht die Luft. Die Reifen werden platter und platter. Mich packt ein mulmiges Gefühl: jetzt muss Schluss sein. R. beobachtet den Vorgang aufmerksam. Noch mehr, sagt er, und: noch mehr. Im tiefen Sand kann man nur mit ganz platten Reifen fahren. Obwohl unsere jetzt weich aussehen wie vollreifer Camembert, bleibt der vierradgetriebene Geländewagen nach ein paar Kilometern im tiefen Sand stecken. Die Räder drehen durch. Man muss etwas unterlegen. Nur was? Auf der Landzunge erstreckt sich nichts als Sand, rechts der Sandbank das Meer, links der Fluss, der immer breiter wird, um sich am Ende brackwassernd ins Meer zu ergießen. Jemand findet den angeschwemmten Zweig einer Kokospalme. (Wie finden die Afrikaner nur immer so schnell etwas, das unsichtbar war?) Er wird unter den am tiefsten eingesunkenen Vorderreifen gelegt, und auf einmal greifen die Räder wieder. Weitere Kilometer geht es durch den Sand.

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Weltbevölkerung

Als ich in den 1980er Jahren zur Schule ging, war unsere Erdkundelehrerin erstaunt, wie wenige aus der Klasse das „drängendste Problem unserer Zeit“ als solches wahrnahmen: die Überbevölkerung der Erde. Damals hieß es, ab den 2000er Jahren gäbe es in Bangladesch „nur noch Stehplätze“. Bangladesch hat sein Bevölkerungsproblem in den Griff bekommen: von fünf ist die Fertilitätsrate auf 2,14 Kinder pro Frau gesunken. Das enorme Wachstum – die „Bevölkerungsexplosion“ – hat sich auf Afrika verlagert, eine Frau bekommt hier im Durchschnitt 4,7 Kinder. Afrika – südlich der Sahara – ist mein Spezialgebiet. Jeden Tag nimmt die Weltbevölkerung um 250.000 Menschen zu. Im weltweiten Durchschnitt bekommt eine Frau 2,5 Kinder, in den Industrienationen 1,7 und in den ärmsten Ländern der Welt vier Kinder. Zum einen also weniger Kinder als gewünscht, auf der anderen Seite vielleicht mehr als die Frau sich selbst wünscht. Die Weltbevölkerung beträgt zurzeit etwa 7,6 Milliarden, bis 2050 wird sie nach Rechnung der Demographen auf zehn Milliarden Menschen wachsen. Die ökologischen Folgen sind kaum absehbar, schließlich geht es nicht nur darum, diese Menschen irgendwie durchzufüttern, sie streben ja alle nach einem besseren Lebensstandard – die meisten von ihnen werden in einer „Armutsfalle“ gefangen in Verelendung leben, wie sehr viele es jetzt schon in den Slums afrikanischer Großstädte tun (vgl. Daniela Roth, „Für jedes Volk ein Wartesaal.“ Afrika und seine Megastädte, in: Kursbuch 190, Hamburg 2017). Überbevölkerung, Globalisierung und technischer Fortschritt nehmen eine exponentielle Entwicklung. „Diese drei Faktoren schaukeln sich wechselseitig hoch und sind praktisch nicht mehr zu beherrschen, bis sie zu einem regelrechten Orkan werden.“ (Dirk Roßmann, „…dann bin ich auf den Baum geklettert!“ Von Aufstieg, Mut und Wandel, München 2018, S. 198). Beschleunigung, ein „unheimliches Tempo“ machen Angst.

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Maggi und Nescafé

Nirgends esse ich so gut wie „in Afrika“. Aromen sonnenverwöhnter Früchte, prächtiges Gemüse, fangfrischer Fisch und in Simbabwe das beste Beef der Welt. Beim Kochen lässt man sich Zeit, was insbesondere in Soßen zu schmecken ist, die lange über dem Kohlenfeuer geköchelt wurden. Das „Ndolè“ in Kamerun gehört zu meinen Leibspeisen. Was mich allerdings entsetzt, geschult an der Bio-Bewegung in Deutschland ab den 1980er Jahren, ist die andauernde Verwendung von Maggi. Kaum ein Gericht in Afrika kommt ohne das Würzmittel aus. Maggi gehört, so die Meinung vieler Afrikaner, in mein kamerunisches „Ndolè“, in die „Sauce graine“ der Côte d’Ivoire oder ins senegalesische „Tiéboudienne“. Bis zu 100 Millionen Maggi-Würfel verkauft Nestlé nach eigenen Angaben allein in Westafrika – täglich. Im Werbe-Fernsehen taucht eine propere städtische Familie auf: Maman serviert in der hübschen Einbauküche zwei oder drei wohlerzogenen Kindern – und Papa – ein dampfendes Gericht: „Maggi – le secret de la bonne cuisine“ („Maggi – das Geheimnis der guten Küche“)! Im Senegal heißt Maggi „corrige Madame“, soll heißen, dass die Würze Madames Kochkünste verbessert. Jeder Markt in Westafrika hat ein Namensschild – gesponsert und in den gelb-roten Farben von Maggi. Der überdimensionale Brühwürfel lässt den Markt-Namen klein aussehen. Weil es bis ins letzte Dorf zu finden ist, glauben viele Afrikaner, Maggi sei ein afrikanisches Produkt. Die Geschmacksrichtungen variieren regional: Rind-, Huhn-, Krabben-Geschmack, scharf usw. Seit 90 Jahren ist der Schweizer Nahrungsmittelriese Nestlé in Afrika präsent, seit 1959 verkauft er dort Maggi-Würfel. Mit Afrika-Sitz in Nairobi hat Nestlé auf dem Kontinent 27 Fabriken und zahlreiche Verteilungs- und Verwaltungszentren und beschäftigt 11.500 Angestellte. Seit einigen Jahren werden „Maggi-Cubes“ in afrikanischen Ländern produziert, so in Yopougon (Côte d’Ivoire), Dakar (Senegal), Douala (Kamerun), Koumalim (Mali) sowie Flowergate und Agbara (Nigeria). Die Brühwürfel bestehen aus Salz, Würze und Geschmacksverstärkern: Glutamat und Inosinat. 100 Jahre nach der Markteinführung in Europa will Nestlé die Rezeptur verändern. Zucker und Salz sollen nach und nach reduziert werden. In Ländern mit Mangelernährung ist vorgesehen, Vitamin A, Eisen oder Jod zuzusetzen. Außerdem soll das Würzmittel mehr Gemüse enthalten und stärker nach Kräutern und Gewürzen schmecken. Inzwischen hat Maggi afrikanische Konkurrenz bekommen. Andere Bouillon-Marken tragen Namen wie Joker, Jumbo, Doli, Mami, Mimido, Tak, Tem Tem, Sossa. Im Senegal ist die Herstellung von Brüh- und Suppen-Würfeln zu einem großen Wirtschaftszweig geworden.

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Afrika in Frauenhand

Ohne Frauen bricht die Wirtschaft Afrikas wie ein Kartenhaus zusammen. Wer in Afrika hart arbeitet, sind die Frauen. „Die gewöhnlichen Leiden und Leistungen der Millionen von fleißigen Bäuerinnen, Händlerinnen und Erzieherinnen, die unter unsagbar schweren Lebensumständen Tag für Tag beschäftigt sind, ihre Familien durchzubringen, bleiben im Dunkeln“, schreibt der Wirtschaftswissenschaftler Rainer Tetzlaff (Afrika. Einführung in Geschichte, Politik und Gesellschaft, Wiesbaden 2018, S. 3). Tetzlaff nennt es eine „prekär gewordene Überlebensökonomie“. Frauen meistern den täglichen Überlebenskampf. Die Landwirtschaft ist weitgehend in Frauenhand. Nur 10-15% des Landes in Afrika gehören Frauen, stellte der African Gender Equality Index der African Development Bank fest. Der Wirtschaftswissenschaftler Daniel Etounga-Manguell sagt, Frauen haben zu schweigen, sie produzieren den Großteil der Nahrung, haben aber kaum Zugang zu landwirtschaftlicher Ausbildung, zu technischer Hilfeleistung, zu Bankkonten, zu Kredit, zu Eigentum, usw. Etounga-Manguelle nennt die Frauen „das missachtete Rückgrat unserer Gesellschaft“ (zit. nach Tetzlaff, a.a.O., S. 51). Unter den Ländern mit der größten Geschlechterkluft sind 15 afrikanische Staaten. Nach dem „Global Women’s Progress“ wird man als Frau besser nicht geboren in: Tschad, Mali, Kongo (DRC), Niger, Äthiopien, Sudan. Die Kriterien: Zugang zu Bildung, gesundheitliche Aspekte, Gleichberechtigung, Teilhabe an politischen Ämtern und Wirtschaft. Im Tschad und in Niger können Mädchen bereits zwischen zehn und zwölf Jahren verheiratet werden (Volker Seitz, Afrika wird armregiert, München 2018, S. 218). Bildung, gerecht bezahlte Arbeit und mehr Rechte brauchen die Frauen in Afrika. (In Deutschland war das ja vor gar nicht langer Zeit nicht anders.)

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Belting und Buddensieg: das Senghor-Buch

Léopold Sédar Senghor war der erste Staatspräsident des 1960 unabhängig gewordenen Senegal, der in der Kolonialzeit zu Französisch Westafrika gehörte. Senghor war geistiger Brückenbauer, Politiker und Dichter. Hans Belting und Andrea Buddensieg haben ein Buch über den Schöngeist, den Humanisten Senghor geschrieben. 1966 war Senghor mit dem Festival Mondial des Arts Nègres, dem „Weltfestival der Negerkünste“, Impulsgeber für die spätere „Dak’Art“. Diese Kunstbiennale in Dakar, der Hauptstadt Senegals, war 1992 die erste in Afrika südlich der Sahara und findet seitdem regelmäßig statt. Senghor (1906-2001) hatte in Dakar eine nationale Kunstszene aufgebaut. Sein Konzept, die Négritude, ist bis heute umstritten. Senghors Aussage, die Vernunft sei griechisch, der „Neger“ eher emotional, machte ihm kaum Freunde. Landsleute warfen ihm vor, die Négritude sei eine Sklavin der Francophonie. Belting und Buddensieg sehen in Senghor den Visionär für einen Neuanfang der Welt mittels Kunst und Kultur. In der Medien- und Konsumära sei dieser Typus „quasi ausgestorben“. Dass die „vergessene oder verdächtige Kulturpolitik“ Senghors scheiterte, habe weniger an der Idee, eher an den Bedingungen gelegen. Muss eine Idee nicht gerade für ihre Bedingungen taugen? Senghors Vision war ein Dialog der Kulturen, ein weltweiter Humanismus, eine Moderne aus afrikanischer Sicht. „Multiple Modernen“ sind – mit Rasheed Araeen – länger schon Beltings Thema. Senghor habe in Paris, damals Zentrum der modernen Kunst, die Moderne gesucht.

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Altkleider

Im „Public Transport“ in Simbabwe saß ich einmal hinter einem Mann in einer dunkelblauen Arbeitsjacke. „Holzbau Xaver Schmidle“ (Name natürlich geändert) stand in gelben Buchstaben auf seinem Rücken. Plus Adresse und Postleitzahl: ein Nachbarort in meiner schwäbischen Heimat. In fast allen afrikanischen Großstädten gibt es Märkte für Altkleider. Buden-Reihen lang sieht man feinsäuberlich aufgehängte Gebrauchtkleidung. Manchmal liegen die Kleidungsstücke auf wasserdichten Planen auf dem Boden, das sind dann „Bück-Boutiquen“. Die Preise sind günstig, die Qualität gut. Für Weiße sind die Preise in Afrika sogar sehr günstig. Nicht nur europäische Ethnologie-Studentinnen haben sich, so konnte ich beobachten, gerne für ein paar Euro mit leichten T-Shirts und grauen Hosen eingedeckt. Professionelle europäische Händler, habe ich gehört, halten nach FC-Bayern-München- und anderen Fan-Shirts Ausschau, die nach dem Re-Import in Europa ein Vielfaches dessen eintragen, was sie in Afrika kosten. „Dead white men’s clothes“ wird Secondhand-Kleidung auch genannt, in Ghana „Obroni wawu“, weil Afrikaner es sich nicht vorstellen konnten, dass jemand zu Lebzeiten so gut erhaltene Kleider weggibt. „Altkleider“ weiterlesen